Erfahrungen mit Inkontinenz

Zwei Frauen sprechen über ihre Erfahrung mit . Inkontinenz ist keine Seltenheit, denn jede dritte Frau in Deutschland ist davon betroffen. So auch Katrin Kallweit und Sara Theile. Im Interview berichten sie von ihren persönlichen Erfahrungen und wie es sich mit Inkontinenz im Alltag lebt. Gemeinsam mit ihnen möchten wir erreichen, dass Frauen ihre Geschichten teilen und sich untereinander austauschen.

Interview mit Katrin Kallweit über ihre persönlichen Erfahrungen

Katrin Kallweit ist 44 Jahre alt und lebt mit ihrer Tochter in der Nähe von Berlin. Sie arbeitet in einer Steuerkanzlei, kümmert sich aber freiberuflich auch um Social Media Marketing. 2014 merkte sie bei einer Sportveranstaltung zum ersten Mal, dass sie Urin verliert. Aus Scham ging sie erst Jahre später zum Arzt und lebt nun mit der Diagnose Dranginkontinenz. Für sie ist es eine Hilfe zu wissen, dass sie damit nicht alleine ist. Mit ihrem Interview möchte sie anderen Frauen Mut machen, denn die Angst vor dem Arztbesuch ist unbegründet. Und mit der richtigen Behandlung kann man schnell wieder nach vorne blicken!

Wann fiel dir zum ersten Mal auf, dass du Urin verlierst?

So richtig bewusst wurde es mir im August 2014 bei einer Sportveranstaltung. Jedes Mal wenn ein Tor fiel und vor Freude gehüpft wurde, wurde es feuchter in meiner Hose. Das war schrecklich unangenehm!

Wie bist du damit zunächst umgegangen?

Nachdem ich mich in Ordnung gebracht hatte, habe ich die Angelegenheit wieder verdrängt. Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. So schlimm habe ich es dann aber auch die nächsten Jahre nicht noch einmal erlebt. Allerdings wurde es häufiger, dass ich manchmal beim schnellen Laufen, beim Sprinten zur S-Bahn oder schon beim Niesen meinen Urin nicht halten konnte.

Was war für dich der Auslöser, zum Arzt zu gehen?

Der Winter 2017/2018 war sehr schlimm. Ich spürte etwa zweimal pro Stunde das Gefühl, so dringend zur Toilette zu müssen, dass ich froh war, nur einen Arbeitsweg von 20 Minuten zu haben! Vor dem Weg zur Arbeit: bis zu zweimal zu Hause auf die Toilette, um ganz sicher „heil“ anzukommen, sofort nach der Ankunft bei der Arbeit: Toilette! Erschwerend kam hinzu, dass es Erkältungszeit war. Ich hatte mich inzwischen so weit an die Situation angepasst, dass ich beim ersten Anzeichen von heftigem Lachen oder Niesen schon die Beine zusammenkniff, damit ich nicht nass wurde.

Welche Bedenken hattest du dabei bzw. was hat dich davon abgehalten, Rat beim Arzt zu suchen?

Ich wollte mit niemandem darüber sprechen. Das war ganz allein meine Sache! Außerdem wusste ich nicht, welcher Arzt zuständig war. Mein Allgemeinarzt? Das war ein Mann und damit kam er schon mal kategorisch nicht in Betracht. Meiner Frauenärztin erzählte ich dann im Mai 2018 von meinem Dilemma. Den Mut zu fassen und es auszusprechen, war wie eine Beichte als Kind, nachdem man etwas ausgefressen hatte.

Was, wenn sie mich auslachen würde? Immerhin war ich zu diesem Zeitpunkt erst 42. , das haben doch nur alte Menschen. Aber ich doch nicht! Sie erzählte mir, dass sie leider nichts machen kann und dass ich damit zum Urologen müsste. Ob ich es denn schon einmal mit versucht hätte? Ich verneinte, denn ich wusste, dass das, was bei mir los ist, nicht mit ein bisschen Gymnastik zu kitten sei. 

Die Nachricht, dass ich zum Urologen musste, ließ mich erneut zögern und wanken. Vier weitere Wochen gingen ins Land. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich in meinem Leben schon so vieles überstanden, durchgestanden und er- und überlebt, dass der Gang zum Urologen doch kein Weltuntergang sein würde?! Dennoch: Die Scham, mich vor einem Arzt mit so einem intimen Problem zu offenbaren, ließ mich erneut den Kopf in den Sand stecken.

Morgens mit dem quälenden Gedanken aufzuwachen, noch einen Winter wie den vergangenen zu erleben oder einfach diesen Termin zu holen?! Und so rief ich in der Arztpraxis an und erzählte der netten Dame von meinem Problem. Das zweite Mal in meinem Leben, dass ich es aussprach. Welch ein Wunder – es war nun gar nicht mehr so schwer.

Als ich Anfang Juni 2018 schließlich dem Urologen von meinem Problem berichtete, war es einfach nur noch, als würde man Magenschmerzen, Fieber oder Kopfschmerzen beschreiben.

Welche Untersuchungen wurden durchgeführt?

Er untersuchte meinen Bauch, drückte hier und da etwas herum und machte dann einen Ultraschall von der Bauchdecke. Ich sollte die Luft anhalten und drücken, als ob ich zur Toilette müsse. Zu diesem Zeitpunkt ein gefährliches Unterfangen, denn ich musste ja quasi immer zur Toilette.

Welche Form von Inkontinenz hat der Arzt festgestellt?

Nach der Untersuchung erlöste mich der Urologe. Er zeigte mir die Ultraschall-Bilder und erklärte, dass es sich um eine wirklich heftige Belastungsinkontinenz handele, dass Beckenbodengymnastik keine Option sei und er mir zu einer Operation raten würde. Aufgrund des Anamnesebogens und meiner Symptombeschreibung erwähnte er aber ebenfalls einen hohen Grad von .

Er überwies mich an eine Klinik mit Beckenbodenzentrum, bei der ich schnell einen Termin zur Untersuchung erhielt. Meine Beschwerden teilte ich nun schon ganz routiniert mit, ohne dass es mir noch viel ausmachte.

Inkontinenz ist immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft: Wieso hast du deine Erfahrungen mit Inkontinenz öffentlich gemacht?

Weil ich inzwischen erkannt habe, dass es vielen Frauen und Männern so geht wie mir. Sie alle schweigen aus Angst und Scham und fürchten sich davor, zum Arzt zu gehen und sich helfen zu lassen. Wie der junge Mann, der mich neulich anschrieb. Auch er hatte mein Video gesehen und sich ein Herz gefasst. Er berichtete mir von Problemen mit der Krankheit, an die ich als Frau nie gedacht hatte. Er ist Mitte 30 und hat das Fußballspielen geliebt. Mit Fortschreiten der Krankheit war ihm das nicht mehr möglich.

Im Beispiel des jungen Mannes sind seine Erfahrungen vielleicht noch schlimmer als bei manch einer Frau. Denn er berichtete, dass es für Männer wesentlich schwieriger ist, Vorlagen oder Höschen zu entsorgen. Während es auf Damentoiletten überall Hygienebeutel und verschlossene Mülleimer gibt, ist dies auf Herrentoiletten eher nicht der Fall. Für berufstätige Männer ist es damit noch schwieriger, mit der Krankheit zu leben. Mobbing nicht ausgeschlossen, wenn das Geheimnis entdeckt wird. Starke Männer mit Inkontinenz – wo gibt es denn sowas?

Wie sieht dein Alltag mit Inkontinenz aus?

Mein Alltag mit Inkontinenz sieht nicht wesentlich anders aus als ein Leben ohne. Urintröpfchen zu verlieren, mal mehr und mal weniger, zum Teil ständiger Druck, unglaublich dringend zur Toilette zu müssen usw.: Man stellt sich darauf ein, verdrängt es – ich zumindest.

Hattest du eine Operation?

Ja. Gegen meine habe ich ein Band gelegt bekommen.

Trainierst du aktiv deinen Beckenboden?

Sehr selten. Ich weiß, wie es geht und was ich machen müsste, aber ich trainiere nicht.

Was hast du immer in der Tasche, wenn du das Haus verlässt?

Nichts, was eine Frau ohne Inkontinenzbeschwerden nicht auch hätte. Keine Vorlagen oder Höschen und Wechselwäsche auch nicht.

Wie laufen bei dir Ausflüge ab? Informierst du dich beispielsweise vorher über Toiletten?

Nein. Heutzutage gibt es überall Toiletten. Überall da, wo Getränke ausgeschenkt werden, müssen Toiletten vorhanden sein. Und wenn sich eine Frau verabschiedet, um auf die Toilette zu gehen, ist das typisch und nicht ungewöhnlich ☺

Achtest du auf eine ausgewogene Ernährung bzw. verzichtest du bewusst auf bestimmte Lebensmittel?

Schon aufgrund meiner Neigung zu Übergewicht, meiner Schilddrüsenunterfunktion sowie Null Bewegung in meiner Freizeit muss ich auf die Ernährung achten.

Wie sieht dein Trinkverhalten aus?

Ich versuche, viel zu trinken. Ungesüßten Tee, Wasser, ab und zu auch eine Limonade. Auch meine zwei Tassen Kaffee pro Tag lasse ich mir nicht nehmen.

Welche Tipps und Tricks haben dir besonders am Anfang geholfen?

Tröstlich war es für mich zu wissen, dass ich nicht allein bin. Wer unter Inkontinenz leidet, hat ein ordentliches Päckchen zu tragen, doch ist es keine tödliche Krankheit. Es gibt also Schlimmeres. Bei wem die ständige Furcht, sich einnässen zu können, zu groß ist, der verwendet Vorlagen, Höschen und was es sonst noch so gibt.

Was möchtest du anderen Frauen mit auf den Weg geben?

Anderen Frauen, aber auch Männern, die unter Inkontinenz leiden, möchte ich sagen, dass sie nicht so viel nachdenken sollen. Wegen jeder anderen Krankheit gehen wir auch zum Arzt, lassen uns untersuchen und behandeln.

Wenn es gelingt, den eigenen Bannkreis zu durchbrechen, mutig zu sein und nach vorn zu blicken, dann ist alles nicht mehr ganz so schlimm.

Scham ist fehl am Platz, denn wir alle sind Menschen. Männer wissen, wie Frauen und andere Männer aussehen und Frauen wissen, wie andere Frauen und auch Männer aussehen. Die Körper sind doch letzten Endes alle irgendwie gleich. Also warum sich als Frau vor einem männlichen Arzt genieren bzw. sich als Mann vor einer Ärztin?

Einfach mutig sein!

Katrin Kallweit

Foto Katrin Kallweit

Interview mit Sara Theile über ihre persönlichen Erfahrungen

Sara Theile tanzt seit ihrer Jugend und ist mittlerweile staatlich anerkannte Tanzpädagogin. Seit der Geburt ihrer Kinder hat sie immer mal wieder Urin verloren – je größer die körperliche Belastung, desto mehr. Ihren Beckenboden stärkt sie nun gezielt mit Beckenbodentraining. Sie spricht offen über ihre Geschichte, damit sich Frauen frei genug fühlen, auch über ihre eigenen Beschwerden zu reden. Ihr hat es geholfen zu wissen, dass sie damit nicht allein ist. 

Wann fiel dir zum ersten Mal auf, dass du Urin verlierst?

Als mein erstes Kind eineinhalb Jahre alt war, habe ich wieder angefangen zu joggen. Wenn ich dann während des Joggens niesen musste, ist schon mal ein Tröpfchen in die Hose gegangen. Mit Beckenbodentraining gelang es mir anfangs, das Problem in den Griff zu bekommen. Doch jetzt, sechs Jahre nach der ersten Geburt – meine zweite Tochter ist jetzt drei – habe ich eine Kollegin im Tanzunterricht vertreten. Drei Stunden lang habe ich so richtig getanzt und bin mit voller Power gesprungen, und das war quasi der Auslöser. Seitdem passiert es jeden Tag, dass ich Urin verliere, und deshalb trage ich eine Slipeinlage. Zwar ist es manchmal besser, manchmal schlechter. Aber wenn ich richtig viel tanze, wenn die Belastung also hoch ist, dann ist es definitiv schlechter.

Wie bist du damit zunächst umgegangen?

Ich habe eine Zeit lang wieder Dance-Workout betrieben, bei dem man auch ein bisschen springt. Ich dachte: „Gut, das teste ich jetzt mal und gebe dann den Kurs“, habe allerdings gemerkt, dass es wieder schlimmer wurde. 

Was war für dich der Auslöser, zum Arzt zu gehen?

Ich bin nicht sofort zum Arzt gegangen. Erst einmal hatte ich einen Termin beim Physiotherapeuten. Ihm habe ich von dem Problem erzählt, und er hat dann auch sehr ganzheitlich gearbeitet. Die Behandlung war gut und stellte eine kleine Linderung für mich dar. Mittlerweile war ich aber auch beim Arzt, denn ich will mich Schritt für Schritt auf den Weg begeben und etwas dagegen tun. Meine Hoffnung ist, dass ich meine Blasenschwäche irgendwie doch in den Griff bekomme.

Welche Bedenken hattest du dabei bzw. was hat dich davon abgehalten, Rat beim Arzt zu suchen?

Ich habe erst einmal abgewartet, was mein Physiotherapeut sagt. Danach habe ich direkt einen Termin beim Arzt vereinbart.

Welche Untersuchungen wurden durchgeführt?

Ich habe ihm die Situation erklärt, und er hat dann von innen getastet und gemeint, dass es hinsichtlich der Senkung von Blase und Gebärmutter nicht so schlimm wäre, aber ich hätte schwaches Bindegewebe mit in die Wiege gelegt bekommen. Deshalb wollte ich mir lieber eine zweite Meinung einholen. Da ich ja Beckenbodentrainerin bin, habe ich diesbezüglich viele aktuelle Informationen. Auf meine Frage, ob ich das jetzt einfach als gegeben hinnehmen müsse, empfahl er mir, doch einmal einen Urologen aufzusuchen, und hat mich dann zum Urologen überwiesen. Stattdessen bin ich erst einmal zum Osteopathen gegangen. Der Osteopath hat dann festgestellt, dass die Gebärmutter etwas weiter nach hinten und unten abgesenkt ist und die Blase deshalb aus dem optimalen Winkel herausrückt. Ich habe ein paar Übungen bekommen, zudem mache ich Beckenbodentraining. Zum Urologen werde ich, denke ich, aber trotzdem gehen. 

Hast du auch andere Informationsquellen wie das Internet, Literatur, Studien genutzt?

Ja, ich habe ein Buch gelesen, das ich als Trainerin ohnehin interessant fand. Es enthielt viele Informationen, beispielsweise auch, welche Formen der Inkontinenz existieren. Auch durch die Beckenbodentrainer-Fortbildung habe ich noch mal viel dazu gelernt, zum Beispiel über die unterschiedlichen Formen von . Das meiste habe ich also aus Büchern und in dieser Fortbildung gelernt.

Ist die Erkrankung Thema zwischen dir, deiner Familie und deinen Freunden?

Meinem Mann habe ich das natürlich schon erzählt. Dann habe ich es auch meiner besten Freundin anvertraut. Manchmal habe ich mir jedoch gedacht: „Ich sag jetzt lieber nichts.“ Als ich dann die Trainerfortbildung absolvierte und den Kurs anbieten wollte, habe ich mich dazu entschieden, einen Beitrag auf Instagram dazu zu schreiben. Das fiel mir irgendwie leichter. Ich wollte damit auch meinen zukünftigen Teilnehmerinnen ein bisschen diese Hemmung nehmen und gleich klarmachen: „Leute, ich habe das auch“. Und mit Beckenbodentraining kann man halt wirklich etwas machen.

Inkontinenz ist immer noch ein Tabu-Thema in der Gesellschaft: Wieso hast du deine Erfahrungen mit Inkontinenz öffentlich gemacht?

Ich bin offen damit umgegangen und habe das Thema auch in meinem Kurs angesprochen. Denn ich möchte, dass die Frauen sich frei fühlen, etwas zu sagen, oder zumindest hören, dass das Problem gar nicht so ungewöhnlich ist. Und tatsächlich gab es viele Reaktionen, von „Ja, ich merke das auch“, bis zu „Da habe ich noch Probleme“. Viele haben das! Und wenn man beim Reiten oder Joggen Urin verliert, ist das ein Warnzeichen, das man nicht einfach so hinnehmen sollte. Viele reagieren dann aber nach dem Motto: „Ach so, ja, das ist dann jetzt so und egal, dann muss ich halt eine Binde tragen.“

Deshalb finde ich es auch sehr schön, wenn das jetzt so offen erwähnt wird. Und überhaupt, das Thema Beckenbodentraining ist so wichtig. Auch das Thema Rückbildungsgymnastik wandelt sich gerade. Denn viele sind mit diesem nicht so richtig zufrieden und sagen: „Irgendwie wurde gar nicht viel über den Beckenboden erklärt. Wir haben einfach nur diese und jene Übungen gemacht.“ Und da es ein wichtiges Thema ist, möchte ich es in die Welt tragen. Denn ich erlebe auch viele Frauen, die vier Monate nach der Geburt wieder joggen. Ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass vielleicht erst nach sechs Jahren auftritt. Ich habe auch jede Menge Situationen im Kopf, über die ich denke: „Hm, das war vielleicht nicht so gut. Das nicht. Und das.“ 

Wie sieht dein Alltag mit Inkontinenz aus?

Welche Hilfsmittel benutzt du?

Bisher benutze ich nur Slipeinlagen. 

Trainierst du aktiv deinen Beckenboden?

Ja. Neben einer Beckenboden-App auch die Übungen vom Osteopathen, die ich jeden Tag machen soll. Und dadurch, dass ich die Kurse gebe, habe ich quasi auch einen Beckenbodentraining - Eigennutzen durch meine Arbeit

Was hast du immer in der Tasche, wenn du das Haus verlässt?

Nichts Bestimmtes. Wenn ich mal den ganzen Tag unterwegs bin – was aber schon lange nicht mehr der Fall war – dann würde ich vielleicht eine Ersatzslipeinlage mitnehmen. Aber ansonsten ist meine Blasenschwäche relativ schwach.

Wie laufen bei dir Ausflüge ab? Informierst du dich beispielsweise vorher über Toiletten?

Also, ganz lange Ausflüge mache ich eigentlich nicht. Auch nach den Schwangerschaften war es immer so, dass ich ziemlich schnell wieder die Toilette aufsuchen musste. In der Stadt hat man dann meistens schnell irgendwo eine Toilette gefunden. Aber es ist dennoch sehr unangenehm, wenn man immer wieder schauen muss, wo man auf die Toilette gehen kann. Darauf achte ich schon. Oder ich gehe irgendwo in die Büsche. Meistens gehen wir eher spazieren mit den Kindern, und da kann man dann schon mal in der Natur gehen.

Achtest du auf eine ausgewogene Ernährung bzw. verzichtest du bewusst auf bestimmte Lebensmittel?

Nein, bisher habe ich noch nie darüber nachgedacht, dass das etwas mit Lebensmitteln zu tun haben könnte. Natürlich merke ich, dass ich öfter auf die Toilette muss, wenn ich zum Beispiel Wassermelone gegessen habe. Aber das stellt für mich kein Grund dar, darauf zu verzichten.

Wie sieht dein Trinkverhalten aus?

Ich trinke schon immer eher viel. Wenn ich mal wirklich eine lange Autofahrt habe, dann würde ich … Na ja, ich schaffe es meistens gar nicht, weniger zu trinken.

Das würde ich Frauen gerne mitgeben: Dass sie nicht weniger trinken, da dies eher kontraproduktiv wäre.

Welche Tipps und Tricks haben dir besonders am Anfang geholfen?

Ich habe in der Trainerfortbildung ein paar Tipps und Tricks gelernt, die ich auch bereits selbst getestet habe. Wenn man zum Beispiel unterwegs ist, plötzlich Harndrang hat und keine Toilette in der Nähe ist, dann kann man sich den Kiefermuskel zunutze machen, da er mit dem Beckenbodenmuskel verbunden ist. Wenn man dann so tut, als würde man ein Bonbon lutschen, dann springt der Beckenboden mit an. Wenn man den Kiefer anspannt, dann spannt sich auch der Beckenboden mit an. Deshalb ist es zum Beispiel wichtig, dass der Kiefer und das Gesicht locker sind, wenn man den Beckenboden entspannen will. Ich sage auch immer beim Training, dass man auf diese Weise den Beckenboden effektiv anspannen oder eben auch entspannen kann. Oder einmal kurz runterbeugen, als würde man den Schuh zubinden: Wenn dadurch der Po angehoben wird, wird der Beckenboden kurz entlastet. 

Gibt es Aktivitäten, die du nicht mehr machen kannst?

Ja, das Joggen ... ich würde tatsächlich gerne wieder joggen. Auch traue ich mich nicht zu tanzen, denn beim Ballett zum Beispiel führt man ja auch hohe Sprünge aus. Oder beim Dance-Workout. Deshalb biete ich ein spezielles Mama-Dance-Workout an, das besonders beckenbodenfreundlich ist – schon seit einigen Jahren, nachdem ich selber Kinder bekommen habe. Aber ich würde schon sehr gerne wieder irgendwann so richtig tanzen können und eben joggen, aber beides lasse ich jetzt bewusst weg – was schade ist.

Eine Teilnehmerin sagte, sie habe das Gefühl, dass der Beckenboden nach dem Joggen durchhänge und sie ihn nicht mehr so gut anspannen könne. Das ist ein Zeichen, dass es vielleicht noch ein bisschen zu früh ist – und das, obwohl sie sagte, sie sei so vorsichtig wie möglich gelaufen. Man hat dann schon während des Joggens die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen, und dann macht es ja auch keinen Spaß.

Man trägt ständig den Gedanken mit sich herum: „Ist das jetzt okay oder verschlimmere ich es?“ Das führt dann zu einer Unsicherheit, die ich selber auch habe, weil ich nicht weiß, ob ich es irgendwann in den Griff bekomme. Mein Beckenbodenmuskel ist anscheinend ganz okay, nur wenn die Gebärmutter hinten herunterdrückt, verursacht das Probleme. Deshalb schaue ich jetzt mal, wie es mit der Osteopathie weitergeht und ob das nachhaltig etwas bringt. Ansonsten ist vielleicht wirklich irgendwann mal ein Punkt erreicht, an dem ich nicht weiterkomme.

Was möchtest du anderen Frauen mit auf den Weg geben?

Auf jeden Fall, dass sie es nicht für sich behalten und still leiden; oder dass sie es als gegeben hinnehmen, immer Einlagen tragen zu müssen. Ich habe bis jetzt ja eher wenige Beschwerden, denke aber, dass es auch noch stärker werden könnte. Deshalb sollten Frauen unbedingt aktiv werden, wenn sie erste Anzeichen bemerken, und auch offen mit dem Thema umgehen. Was ich außerdem beruhigend finde: Es betrifft nicht nur Frauen nach der Schwangerschaft und Geburt, sondern zum Beispiel auch ganz junge Leistungssportlerinnen. Das sehe ich auch als Zeichen dafür, dass Stoßbelastungen wie beim Sport eine Belastung für den Beckenboden sind. Der Beckenboden ist sehr leidensfähig, das heißt, er gibt uns als Muskel nicht so eine Rückmeldung wie zum Beispiel ein verspannter Nacken. Er besitzt nämlich nicht so viele Schmerzrezeptoren. Damit will er den Frauen die Geburt etwas einfacher machen.

Jedenfalls empfinde ich es als wichtig, dass darauf geachtet wird. Und dass man die Rückbildung ernst nimmt sowie den ganzen Prozess nach der Schwangerschaft, in dem der Körper einfach Zeit braucht. Dass man sich dann mit Beckenbodentraining nach und nach wieder herantastet, zum Beispiel ans Joggen. Und dass man offen damit umgeht. Ich denke, es wird langsam klar, dass Betroffene nicht alleine sind.

Sara Theile

Foto Sara Theile